
Sich in Istanbul auf die Suche nach glutenfreiem Essen zu machen, ist gar nicht so einfach, wenn einen in jedem Schaufenster die ganzen wunderschön aussehenden Backwaren, Döner und türkischen Pizzen anstrahlen.
Baklava mit Pistazie oder Mandel oder Walnuss oder oder oder… Oft bleibe ich vor den Auslagen stehen – obwohl, oder gerade weil ich das alles nicht essen kann. Ich versuche mir irgendwann einzureden, dass das alles nur kleine Kunstwerke sind und eigentlich gar nicht essbar oder sie bestimmt fürchterlich schmecken – der Versuch scheitert spätestens, wenn ich die Menschen im angrenzenden Café genüsslich kauen sehe.
Aber mit ein bisschen Mühe ist es gar nicht so aussichtslos doch etwas von den vor Zucker triefenden oder interessant orientalisch gewürzten Leckereien abzubekommen.
Seit 2009 lebe ich mit der Autoimmunkrankheit Zöliakie. Das bedeutet, dass ich noch nicht einmal die kleinste Spur Gluten zu mir nehmen darf, da dies meinem Körper starke Schäden zufügen kann. Das bedeutet aber nicht, dass ich mich dadurch von meiner größten Leidenschaft abbringen lasse – dem Reisen und Erkunden anderer Kulturen.
Kommen Sie in Gedanken mit mir durch eine meiner Lieblingsstädte, die schon beim ersten Besuch einen Platz in meinem Herzen gefunden hat: Istanbul.
Fangen wir mit dem Frühstück an. Für mich die wichtigste Mahlzeit am Tag. Die Auswahl an allen möglichen Dingen, die am Buffet oder auch bei einem kleinen Frühstück im Café auf einen warten, bringt mich zum Strahlen. Oliven, Käse, Gurken, Tomaten, Salat, Trockenfrüchte und und und… Es kann trotzdem nicht schaden, zur Sicherheit noch ein abgepacktes Paket glutenfreies Brot im Koffer zu haben, damit man das wunderbare Frühstück in jedem Fall genießen kann.
Morgens schlägt mein Herz besonders für den leckeren türkischen Hirtenkäse – bestreut mit Kreuzkümmel und Sesam – ein Traum. Als „Frühstücks-Nachtisch“ noch eine Schnitte mit Rosenmarmelade oder Honig – da vergesse ich sogar danach zu fragen, ob der Aufschnitt glutenfrei ist. Aber ganz vollständig ist jede Mahlzeit erst mit dem typischen Ҫay und Kahve, dem türkischen Tee und Mokka. Danach bin ich für einen Sightseeing-Tag gewappnet.
Eines meiner Istanbul-Highlights ist es mit der Fähre von Karaköy oder Eminönü auf die asiatische Seite der Stadt zu fahren. Bis man in Kadiköy ankommt, kann man auf dem Wasser entspannen und natürlich auch einen Ҫay trinken, während der Mädchenturm in der Ferne zu erkennen ist und die Möwen um einen herum flattern und kreischen.
Es gibt so viele interessante und lustige Dinge auf Istanbuls Straßen zu entdecken. Zum Bespiel die Eisverkäufer, bei denen fast keine Kugel Eis ohne die dazugehörige Show verkauft wird. Man kann sich sicher sein, dass man sein Eis nicht so schnell bekommt. Zack, da hatte man das Hörnchen gerade in der Hand, fehlt die Kugel, die der Verkäufer wieder weggezaubert hat. Aber genau das ist das Problem für mich: So manche Eiskugel, die vorher schon einmal während dieser Vorführung in einem Eishörnchen war, landet kurz wieder in dem Eisbehälter – Hallo Gluten! Es bringt also nichts, sich ein Eis im Becher zu bestellen, da zumindest Spuren des Glutens bestimmt schon im Eis auf einen lauern. Es ist trotzdem nett, einfach zuzusehen, wenn ein anderer verbittert versucht seine Eiskugel zu bekommen.
Dafür gibt es für uns an jeder Ecke frisch gepressten Granatapfel- und Orangensaft, geröstete Maronen und gegrillte Maiskolben. Auf den Märkten bekommt man überall frisches Obst und Gemüse und leckere eingelegte Dinge. Grüne und schwarze Oliven, Gewürzgurken und Paprika. Probieren Sie doch auch einmal die türkische Variante unserer Ofenkartoffel – Kumpir. Gefüllt mit allerlei Zutaten wie Mais, Oliven, Erbsen und anderen Leckereien wirklich eine sättigende Mahlzeit! Geben Sie nur Acht, dass die Kartoffel nicht mit Bulgur gefüllt wird – dann wäre sie leider nicht mehr glutenfrei.
Aber ohne die Süßspeise Baklava gegessen zu haben, ist man nicht wirklich in der Türkei gewesen.
Da habe ich bereits vorher zu Hause eher durch Zufall herausgefunden, dass eine Bäckerei nicht nur eine große Auswahl an glutenhaltigen Backwaren, sondern auch zwei Sorten von glutenfreiem Baklava anbietet. Also geht es am Sonntagmorgen vor dem Besuch des Galataturmes an den Hafen von Karaköy vorbei zu Güllüoğlu. Auf die Frage an den Kassierer, ob wirklich glutenfreie Sachen angeboten werden bekam ich ein „selbstverständlich“ als Antwort. Aber mein Problem ist: Ich bin äußerst entscheidungsfreudig und kann nicht sagen, ob ich lieber Baklava mit Pistazie oder Walnuss haben möchte. Mein hilfloser Blick verhilft mir dazu, dass mich die Bedienung erst einmal zu sich ruft und mich probieren lässt! Ungläubig frage ich noch „Sie sind sich sicher? Wirklich glutenfrei?“ Und schon beiße ich hinein. Eine krosse Schicht Blätterteig und dann die von Zuckerwasser und Honig getränkten Schichten von Teig und Pistazien. Die Finger kleben, es tropft. Ich bin im Baklavaparadies. Es wird erst an der Kasse bezahlt und dann bekommt man gegen seinen Kassenbon an der Theke seine ausgesuchten Sachen verpackt. Die Bedienung ist großzügig und legt mir noch Extrastückchen in mein Paketchen. Meine Augen strahlen. Ich nehme es an mich, als wenn es ein kleiner Schatz wäre, den ich gefunden habe und der jetzt nur mir gehört. Ich nehme mir vor, ihn bis zu Hause in Deutschland nicht anzurühren und zu bewachen. Aber auch der Versuch scheitert – das Paket überlebt natürlich noch nicht einmal den Tag.
Adresse: Karaköy Güllüoğlu, Mumhane Cad. No:171 Karaköy
Wenn die Sonne langsam untergeht, werden die Kellner auf den Straßen aktiv. Keiner lässt einen Versuch aus, potentiellen Gästen das Angebot seines Restaurants schmackhaft zu machen – sehr charmant natürlich.
Besonders im touristischen Bereich um die großen Moscheen in Sultanahmet wird man auch im Hinblick auf glutenfreies Essen fündig. Zur Sicherheit hatte ich die „Bitte an den Koch“ auf Türkisch dabei. Aber selbst ohne die genaue Beschreibung wusste man in vielen Restaurants Bescheid. Ich hatte mich für das Rumeli Café entschieden. Laut den Kellnern wird wohl immer mehr nach Allergikeressen gefragt und daher sind sie ein wenig darauf eingestellt. Zur Sicherheit wurde auch erst noch einmal in der Küche nachgefragt, so dass ich mir gut aufgehoben vorkam. Es gab Hühnchen vom Grillspieß mit Gemüse und Butterreis (Achtung Laktose).
Adresse: Rumeli Café, Alemdar Mh., Ticarethane Sk. No: 8, Fatih
Auch die Fischstände am Fuße der Galatabrücke sehen verlockend aus. Der Blick im Dunkeln von der Brücke aus ist malerisch mit den Moscheen im Hintergrund. Besonders am Abend herrscht hier Hochbetrieb – aber was Fischbrötchen nun mal an sich haben: Brötchen. Nachdem ich das Treiben etwas beobachtet hatte, war es mir zu heikel nachzufragen, ob es denn möglich wäre, nur den gegrillten Fisch ohne Brötchen zu bekommen. Die Brote lagen verdächtig nah an den Grillrosten und die Grillzangen sind wahrscheinlich nicht nur einmal mit den Brötchen in Berührung gekommen. Pech für die Fischverkäufer – Glück für den Maronenmann, dem ich noch ein Tütchen mit frisch gegrillten Maronen abkaufe.
Über die Autorin: Anna Greta Pietsch lebt und reist seit 2009 mit der Autoimmunkrankheit Zöliakie. Seit 2016 bloggt sie auf www.glutenfreiumdiewelt.de über ihre Erfahrungen mit der glutenfreien Ernährung in der ganzen Welt und erzählt auch für Nicht-Betroffene ihre Reisegeschichten.